SZ 27.11.2006

WAA, wiederaufbereitet

Zwanzig Jahre ist das jetzt her: Demonstrationen gegen den WAAhnsinn, Wackersdorf war in den Abendnachrichten des Fernsehens, das Hüttendorf, die blutigen Schlachten am Bauzaun. Damals wusste jeder in Deutschland was eine WAA ist - eine Wiederaufbereitungsanlage für atomare Brennstoffe und jeder kannte den Namen der oberpfälzischen 5000-Seelen-Gemeinde. Wackersdorf war das Zentrum des bundesrepublikanischen Widerstands von Atomkraft-Gegnem. Tausende fuhren jedes Wochenende hin, entrollten Transparente, schlugen gegen den Zaun, warfen Steine und riskierten Kopf und Kragen in gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.Das Kleine Fernsehspiel im ZDF zeigt mit Halbwertzeiten nun einen anrührenden Dokumentarfilm, der sich aus der Perspektive der Kinder der Aufruhrgeneration diesem Kapitel deutscher Protestbewegung nähert.Die Regisseurin Irina Kosean ist erst 24 Jahre alt. Ihr Film beginnt als Ich-Erzählung und mit Super-8-Aufnahmen aus ihrer frühen Kindheit, jener Zeit, in der Vater Kosean jedes Wochenende in Wackersdorf verbrachte. Im Herbst 2005 ist Irina Kosean dann selber hingefahren, hat einstige Widerständler getroffen, den damaligen bayerischen Innenminister Karl Hillermeier zuhause besucht, mit Gert Wölfel, dem einstmals designierten Chef der WAA, gesprochen und hat schließlich eigene Altersgenossen aus einem Jugendzentrum für politische Arbeit zur heutigen Lage von Jugend und Widerstand befragt.Herauskam ein lebendiger, gelungener Film, der sich zum subjektiven Zugang, zum Nachfragen bekennt, und der im Übrigen von den Menschen lebt, die wir in ihm kennenlernen: Allen voran die 75-jährige Hausfrau Irmgard Gietl. Sie erzählt temperamentvoll, wie für sie der Protest damals zum politischen Erweckungserlebnis wurde.

EVA MARZ

Weitere Rezension: Funkkorrespondenz (Manfred Riepe)

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